10.11.2022

Geschäftsführer René Engetschwiler spricht im Interview mit dem LEADER über Herausforderungen in der Branche

Die Braubranche ist gefordert. Gründe dafür sind nicht nur der anhaltende Fachkräfte­mangel oder der Preis- und Termindruck. Auch der russische Angriffs­krieg, die drohende Energie­krise oder das Liefer­ketten­problem gehören zu den heutigen Heraus­forderungen in der Branche. Geschäftsführer René Engetschwiler hat mit dem Ost­schweizer Unternehmens­magazin LEADER über die Auswirkungen für die Ostschweiz gesprochen und zeigt auf, woran der Baumeister­verband Kanton St.Gallen arbeitet:

Zwischen Stuhl und Bank

René Engetschwiler, Geschäftsführer des Baumeister­verbandes Kanton St.Gallen, kämpft zurzeit an mehreren Fronten: Den Bau­unternehmen machen der Fachkräfte­mangel sowie der Preis- und Termin­druck zu schaffen. Höhere Energie- und Material­kosten machen die Situation nicht besser, erläutert er im LEADER-Interview.

René Engetschwiler, das Handwerk klagt über Lehrlings­mangel. Was unternehmen Sie, um dem Nachwuchs die Bau­branche schmackhaft zu machen?
Wir nutzen die Ost­schweizerische Berufs­messe in St.Gallen, sind auf Social Media unterwegs und bieten Schnuppertage in der Maurer­lehr­halle Gossau an. Ferner informieren regelmässig sämtliche Ober­stufen­lehrer im Kanton über die Karriere­modelle auf dem Bau und die sehr guten Anstellungs­bedingungen. Einfach gesagt: Nachwuchs­werbung ist in enger Zusammenarbeit mit dem nationalen Verband und den zahlreichen Lehrbetrieben eine der wichtigsten Aufgaben unseres Verbandes.

Welche Möglichkeiten sehen Sie derzeit, den Fachkräfte­mangel zu entschärfen?
Viele Branchen kämpfen mit der gleichen Problematik, was mögliche Lösungen nicht unbedingt vereinfacht. Wir müssen Quereinsteigern die Türen öffnen, ohne die Qualität zu beeinträchtigen. Der Masterplan Berufs­bildung 2030 des Schweiz. Bau­meister­ver­bandes beschäftigt sich genau mit diesem Thema. Weiter müssen wir offen werden für neue, individuelle Lösungen für unsere Mitarbeiter – wie zum Beispiel Teilzeit­modellen.

Hat auch die regionale Baubranche die Folgen des Ukraine­krieges zu spüren bekommen?
Direkt! Steigende Energie­kosten führen zu Verteuerungen im Transport­sektor, was sich auch unmittelbar auf die Material­preise auswirkt. Zahlreiche Produkte wie Wärme­dämmungen, Stahl, Holz­produkte oder bitumen­haltige Materialien unterliegen einer massiven Materialteuerung. Aber nicht nur die höheren Preise sind ein Problem, sondern auch die Liefer­fristen für Materialien, Maschinen und Geräte. Auf einen Lastwagen wartet der Besteller im Moment ein bis eineinhalb Jahre. Diese Teuerungen soll fairer­weise nicht der Unternehmer tragen müssen, weil sie schlicht nicht vorhersehbar sind. Die Teuerungs­verrechnung an den Bauherrn führt dann gerade auch im privaten Bereich oft zu endlosen Diskussionen, was wir sehr bedauern.

Inwieweit macht sich die Liefer­ketten­problematik im Bausektor der Ostschweiz bemerkbar?
Es gibt zwei direkte Problem­felder: Einerseits erfordern die Liefer­fristen eine Termin­planung mit Vorlaufzeit. Leider ist die Planung auf Baustellen heute oft eine rollende Planung und verdient diesen Namen nicht. Die Bau­herrschaft muss verstehen, dass sie sich mit dem herrschenden Termin­druck keinen Gefallen macht. Die zweite Problematik ist, dass sowohl die öffentliche Hand wie auch private Bauherren Projekte auf Eis legen, weil die erschwerte Kalkulation eine fixe Preis­vereinbarung nahezu verunmöglicht. Kumuliert mit dem Preisdruck, den geringen Margen und der Schwierigkeit, geeignete Fachleute in der Planung und in der Ausführung zu finden, sind alle Beteiligten massiv gefordert.

Wie beurteilen Sie die Auswirkung zunehmend strenger gefasster Bauvorgaben für die Branche?
Heute sind selbst kleinere Bauten oftmals in langwierigen Einsprach­verfahren gefangen, geschweige denn komplizierte Projekte, die oft jahrelang blockiert werden. Die unmittelbaren Auswirkungen spüren vor allem der Planer und der Bauherr. Wie weit die Revision des Planungs- und Bau­gesetzes im Kanton St.Gallen die angestrebte Vereinfachung bringen wird, wage ich zumindest zu bezweifeln. Die Unsicherheit der Umsetzung auf Gemeinde­stufe ist auf jeden Fall bereits jetzt spürbar.

Stichwort Robotik: Welche Rolle spielt diese Form der Automatisierung für Ihre Branche?
Wir sind in der Schweiz auf dem Bau sehr individuell unterwegs. Das erschwert zumindest die Robotik auf Baustellen. Die Thematik wird uns aber beschäftigen, früher oder später, und dann müssen wir bereit sein. Wenn man sieht, was heute schon möglich ist, sei es dem Building Information Modeling, kurz BMI, oder eben mit automatisierten Abläufen in der Vor­fabrikation oder auf dem Bau, dann müssen wir uns wohl demnächst auch mit einem neuen Berufs­bild beschäftigen, dem «Baumatiker».