Geschäftsführer René Engetschwiler spricht im Interview mit dem LEADER über Herausforderungen in der Branche
Die Braubranche ist gefordert. Gründe dafür sind nicht nur der anhaltende Fachkräftemangel oder der Preis- und Termindruck. Auch der russische Angriffskrieg, die drohende Energiekrise oder das Lieferkettenproblem gehören zu den heutigen Herausforderungen in der Branche. Geschäftsführer René Engetschwiler hat mit dem Ostschweizer Unternehmensmagazin LEADER über die Auswirkungen für die Ostschweiz gesprochen und zeigt auf, woran der Baumeisterverband Kanton St.Gallen arbeitet:
Zwischen Stuhl und Bank
René Engetschwiler, Geschäftsführer des Baumeisterverbandes Kanton St.Gallen, kämpft zurzeit an mehreren Fronten: Den Bauunternehmen machen der Fachkräftemangel sowie der Preis- und Termindruck zu schaffen. Höhere Energie- und Materialkosten machen die Situation nicht besser, erläutert er im LEADER-Interview.
René Engetschwiler, das Handwerk klagt über Lehrlingsmangel. Was unternehmen Sie, um dem Nachwuchs die Baubranche schmackhaft zu machen?
Wir nutzen die Ostschweizerische Berufsmesse in St.Gallen, sind auf Social Media unterwegs und bieten Schnuppertage in der Maurerlehrhalle Gossau an. Ferner informieren regelmässig sämtliche Oberstufenlehrer im Kanton über die Karrieremodelle auf dem Bau und die sehr guten Anstellungsbedingungen. Einfach gesagt: Nachwuchswerbung ist in enger Zusammenarbeit mit dem nationalen Verband und den zahlreichen Lehrbetrieben eine der wichtigsten Aufgaben unseres Verbandes.
Welche Möglichkeiten sehen Sie derzeit, den Fachkräftemangel zu entschärfen?
Viele Branchen kämpfen mit der gleichen Problematik, was mögliche Lösungen nicht unbedingt vereinfacht. Wir müssen Quereinsteigern die Türen öffnen, ohne die Qualität zu beeinträchtigen. Der Masterplan Berufsbildung 2030 des Schweiz. Baumeisterverbandes beschäftigt sich genau mit diesem Thema. Weiter müssen wir offen werden für neue, individuelle Lösungen für unsere Mitarbeiter – wie zum Beispiel Teilzeitmodellen.
Hat auch die regionale Baubranche die Folgen des Ukrainekrieges zu spüren bekommen?
Direkt! Steigende Energiekosten führen zu Verteuerungen im Transportsektor, was sich auch unmittelbar auf die Materialpreise auswirkt. Zahlreiche Produkte wie Wärmedämmungen, Stahl, Holzprodukte oder bitumenhaltige Materialien unterliegen einer massiven Materialteuerung. Aber nicht nur die höheren Preise sind ein Problem, sondern auch die Lieferfristen für Materialien, Maschinen und Geräte. Auf einen Lastwagen wartet der Besteller im Moment ein bis eineinhalb Jahre. Diese Teuerungen soll fairerweise nicht der Unternehmer tragen müssen, weil sie schlicht nicht vorhersehbar sind. Die Teuerungsverrechnung an den Bauherrn führt dann gerade auch im privaten Bereich oft zu endlosen Diskussionen, was wir sehr bedauern.
Inwieweit macht sich die Lieferkettenproblematik im Bausektor der Ostschweiz bemerkbar?
Es gibt zwei direkte Problemfelder: Einerseits erfordern die Lieferfristen eine Terminplanung mit Vorlaufzeit. Leider ist die Planung auf Baustellen heute oft eine rollende Planung und verdient diesen Namen nicht. Die Bauherrschaft muss verstehen, dass sie sich mit dem herrschenden Termindruck keinen Gefallen macht. Die zweite Problematik ist, dass sowohl die öffentliche Hand wie auch private Bauherren Projekte auf Eis legen, weil die erschwerte Kalkulation eine fixe Preisvereinbarung nahezu verunmöglicht. Kumuliert mit dem Preisdruck, den geringen Margen und der Schwierigkeit, geeignete Fachleute in der Planung und in der Ausführung zu finden, sind alle Beteiligten massiv gefordert.
Wie beurteilen Sie die Auswirkung zunehmend strenger gefasster Bauvorgaben für die Branche?
Heute sind selbst kleinere Bauten oftmals in langwierigen Einsprachverfahren gefangen, geschweige denn komplizierte Projekte, die oft jahrelang blockiert werden. Die unmittelbaren Auswirkungen spüren vor allem der Planer und der Bauherr. Wie weit die Revision des Planungs- und Baugesetzes im Kanton St.Gallen die angestrebte Vereinfachung bringen wird, wage ich zumindest zu bezweifeln. Die Unsicherheit der Umsetzung auf Gemeindestufe ist auf jeden Fall bereits jetzt spürbar.
Stichwort Robotik: Welche Rolle spielt diese Form der Automatisierung für Ihre Branche?
Wir sind in der Schweiz auf dem Bau sehr individuell unterwegs. Das erschwert zumindest die Robotik auf Baustellen. Die Thematik wird uns aber beschäftigen, früher oder später, und dann müssen wir bereit sein. Wenn man sieht, was heute schon möglich ist, sei es dem Building Information Modeling, kurz BMI, oder eben mit automatisierten Abläufen in der Vorfabrikation oder auf dem Bau, dann müssen wir uns wohl demnächst auch mit einem neuen Berufsbild beschäftigen, dem «Baumatiker».